Samstag, 12. Mai 2012


 Wege zur
Entspannung
Skript  aus meiner Ausbildungszeit 
als Tierheilpraktikerin



Während die technische Entwicklung fortschreitet, fühlen sich zugleich immer mehr Menschen verspannt, erschöpft, überdreht, ausgelaugt und ausgebrannt. Wie ist das zu erklären? Und wie finden wir aus der dauerhaften Fehlspannung wieder heraus mit ihren körperlichen Begleiterscheinungen, wie Verkrampfungen, Schmerzen, Herzkreislaufstörungen, Magenbeschwerden oder Hautreaktionen? Wie können wir den natürlichen Rhythmus und die Balance von Spannung und Entspannung wiedergewinnen?
Unsere psycho-vegetativen Grundprogramme
Menschen gibt es seit mehreren Millionen Jahren, die Zivilisation seit wenigen Tausend Jahren. Unsere psycho-vegetativen Programme sind vor allem auf das Überleben in der Urzeit ausgerichtet.
Um in der Urzeit zu überleben, galt es in der Begegnung mit wilden Tieren oder feindlichen Stämmen entweder zu kämpfen oder zu fliehen. Danach gab es längere natürliche Erholungsphasen für die Nahrungsaufnahme und die Regeneration der Kräfte. Entsprechend finden wir als ganzheitliche körperlich-seelische Reaktionen beim Menschen die psychische und physiologische Umschaltung auf die Programme Kampf, Flucht oder Entspannung (Schlaf, Verdauung, Sexualität ). Hinzu kommt noch der Sonderzustand: Totstellreflex, den wir als Schockzustand kennen.
Bei einem Gefahrensignal, in der Regel einer körperlichen Bedrohung reagierte der Urzeit-Mensch reflexhaft mit dem Programm Kampf oder Flucht, d.h. der blitzschnellen Mobilisierung aller körperlichen Reserven für eine körperliche Auseinandersetzung oder das Weglaufen. Es erfolgt eine Umschaltung in Richtung verstärkter Wachheit und Psychischer Erregung, Aktivierung der Körpermuskulatur durch verstärkte Durchblutung, vertiefte Atmung, Ausschüttung von aktivierenden Hormonen wie Adrenalin, Erweiterung der Pupillen, Erhöhung der Blutfettwerte (Energiebereitstellung), Heraufsetzung der Blutgerinnung (zum Schutz gegen Verbluten) und vieles mehr. Nach dem erfolgreichen Kampf oder einer gelungenen Flucht war der Mensch körperlich erschöpft und der Körper stellte sich automatisch auf die Erholungsprozesse sowie auf die Nahrungsaufnahme um. Die Menschen hatten Zeit, um zu ihrem natürlichen Rhythmus zurückzufinden.
Heute haben wir uns in unserer hochtechnisierten Welt gegenüber körperlichen Bedrohungen weitgehend geschützt. Körperliche Aktivitäten werden weitgehend von Maschinen übernommen. Unser Alarmprogramm wird z.B. im Straßenverkehr oder im Beruf in schneller Folge ausgelöst, während uns zugleich die Möglichkeiten zur Umsetzung der körperlich bereitgestellten Energien in Bewegung (Kampf oder Flucht) fehlen. Die Bequemlichkeit macht uns träge. Viele haben eine Unterspannung in der Muskulatur, so daß sie in Belastungssituationen leicht mit Verkrampfungen und Fehlregulierungen reagieren. Das wird besonders bei Rückenbeschwerden aufgrund zu schwacher Rückenmuskulatur deutlich. Angesichts der fortschreitenden Auflösung der natürlichen Rhythmen wird der bewußte Ausgleich immer wichtiger. Unsere innere Alarmierung und damit die Anspannung hängt davon ab, was wir selbst aufgrund unserer persönlichen Geschichte als Gefahr verstehen, d.h. was wir als Versagen, Blamage, Angriff oder Bedrohung betrachten.
Oft finden wir aus dem Kampf- oder Fluchtprogramm nicht wieder heraus und versuchen, auch die Entspannung, die Verdauung oder die Sexualität zu erzwingen. Das funktioniert natürlich nicht. Die Entspannung über Medikamente oder chemische Stoffe wie Alkohol ist kurzfristig wirksam, führt aber langfristig zu psychischer bzw. körperlicher Abhängigkeit und zum Verkümmern der Selbsthilfemöglichkeiten. Entspannung geschieht immer dann, wenn es uns gelingt, das Kampf- oder Fluchtprogramm zu verlassen und loszulassen. Wir brauchen das Gefühl von Sicherheit und die Befreiung von ängstigenden oder aktivierenden Gedanken und Bildern. Sollten die Gedanken sehr hartnäckig, quälend oder bedrängend sein, reicht ein Entspannungstraining allein nicht mehr aus. Dann ist eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll.
Grundsätzliches zur Entspannung
Alle Wege der Entspannung erreichen diesen Vorgang des Ausstiegs aus den aktivierenden Gedanken und Bildern durch sehr verschiedene Rituale , die uns ablenken, so daß die Entspannung und Ruhe sich dann von selbst einstellen kann. Wir wechseln unseren inneren Aktivierungs-Film gegen einen inneren Ruhe- und Entspannungsfilm. In diesem Sinne kann jede Tätigkeit, die uns durch ihre gleichförmige, ruhige, vielleicht auch ritualisierte Verrichtung einen Zugang zur Entspannung verschaffen. Ob es das Joggen, Spazierengehen, Musizieren, Angeln oder das Lesen ist. All das kann uns zu einem gewissen inneren Ruhezustand verhelfen.
Tiefere Entspannungszustände und damit eine erhöhte Erholungswirkung erreichen wir durch ein systematisches Entspannungstraining. Beim Erlernen der Entspannung. von der Kassette sind wir uns oft selbst im Weg , wenn wir noch keine Erfahrungen mit Entspannungstrainings haben. Wir versuchen dann z.B. vergeblich, uns die Entspannung zu erkämpfen. Daher ist in der Regel die Einführung in ein Entspannungsverfahren durch einen erfahren Kursleiter nötig, der dabei hilft die hinderlichen Verhaltensmuster zu überwinden.
Systematische Entspannungsverfahren
Im Autogenen Training (AT) lenken wir unsere Aufmerksamkeit von unseren Alltagsgedanken weg auf unsere Körperempfindungen. Wir spüren z.B. den rechten Arm und vergegenwärtigen uns das Erlebnis von angenehmer Schwere und Wärme, wie wir es nach körperlichen Anstrengungen kennen. Das AT leitet den Übenden dazu an, mit Hilfe verschiedener Formeln, die Aufmerksamkeit auf das Erleben von Entspannungsempfindungen wie Schwere, Wärme, Ruhe, ruhigem gleichmäßigen Puls, angenehm warmen Strömen in der Magengegend und Kühle auf der Stirn zu konzentrieren. Der Erfolg im AT hängt davon ab, wie weit es gelingt, entspannungsfördernde innere Bilder zu vergegenwärtigen, die Aufmerksamkeit dabei zu halten und sie durch regelmäßiges Üben "einzugravieren", so daß die Entspannungsreaktion schließlich reflektorisch erfolgt. Nach dem Erlernen der Übungen der Grundstufe des AT kann der Übende in der Fortgeschrittenenstufe des AT durch zusätzliche persönlich zugeschnittene Formeln die Entspannung differenzieren und vertiefen. In der Oberstufe des AT lernen die Übenden sich tiefer zu versenken und erwerben in der autogenen Meditation tiefere Einsichten und Impulse zur Persönlichkeitsentwicklung
Eine Sonderform des AT stellt das Autogene Training mit Kindern dar. Mithilfe spielerischer Übungen und anschaulicher Bilder und Suggestionen erhalten die Kinder einen kindgerechten Zugang zur Entspannung. Das ist ein wichtiges Gegengift gegen die Angst, Verwirrung und Aggression fördernden Bedingungen, unter denen Kinder heute aufwachsen: Unsichere und instabile Familienstrukturen, Droge Fernsehen und Computerspiele sowie Bewegungsbeschränkungen
Die Progressive Relaxation (PR) auch bekannt als PROGRESSIVE MUSKELENTSPANNUNG oder TIEFMUSKEL-ENTSPANNUNGSTRAINING geht einen anderen Weg. Der Übende spannt nacheinander verschiedene Muskelgruppen deutlich spürbar an und entspannt sie wieder. Er konzentriert sich auf den Kontrast der Anspannungs- und Entspannungsempfindungen. Damit hat die innere Wahrnehmung stärkere Reize, um die Aufmerksamkeit zu binden und die Aktivierungsgedanken hinter sich zu lassen. Es eignet sich daher besonders gut für die Einführung in die Enspannungsverfahren sowie zur Reduktion starker innerer Spannungszustände bei Ängsten, Schlafstörungen oder Schmerzen.
Einen anderen Weg zur Entspannung stellt die Meditation dar. In den verschiedenen Formen der Meditation wird die Entspannung durch Überwindung des sonst ständig fließenden Gedankenstromes erreicht. Wir können uns auf den Atem, Silben (Mantras) oder Worte (Gebete) oder Gegenstände wie z.B. eine Kerze oder eine Verrichtung wie das Bogenschießen konzentrieren und erreichen durch die Gleichförmigkeit, die Regelmäßigkeit des Übens und die Dauer tiefe Versenkungszustände. Die Meditation kann pragmatisch eingesetzt werden oder eingebettet in religiöse und spirituelle Systeme der spirituellen Persönlichkeitsentfaltung dienen. Der Erfolg ist abhängig von der Disziplin, der Fähigkeit, die abschweifenden Gedanken immer wieder zum Gegenstand der Meditation zurückzuführen sowie von der Fähigkeit, mit aufsteigenden belastenden Erlebnissen umzugehen.
In der Atempädagogik wird der Atem als Spiegel der Verspannungsmuster und als Mittel zur Lösung genutzt. Die Entspannung kann über geführte Atemübungen oder das Wiederentdecken und Wiederherstellen des natürlichen Atems erreicht werden. Es gilt sich auf den Atem einzulassen, wie er von selbst kommt, jede Manipulation zu vermeiden und diesem "Leitseil" des unverbildeten Lebendigen zu folgen. Die Arbeit am Atem kann rasch sehr intensiv sein und tiefe Schichten der Persönlichkeit berühren. Daher ist der Erfolg besonders abhängig von der Qualifikation und der Persönlichkeit des Atemtherapeuten.
In der Feldenkrais-Methode wird die Entspannung durch wirksame hundertfach wiederholte isolierte Bewegungsübungen erzielt, die die Haltung auf der körperlichen und damit auch auf der psychischen Ebene verändern. Durch veränderte innere Selbstorganisation werden Spannungsmuster aufgelöst und ein neues Gleichgewicht ermöglicht. Diese Methode ist sehr wirksam und zeigt unter kompetenter Anleitung immer wieder überraschende Ergebnisse.
Im Yoga wird über bestimmte Körperstellungen (Asanas) die Dehnung, die Anregung und Kräftigung von Körperbereichen, wie Wirbelsäule, Muskeln und Gelenke erreicht sowie durch die Vermittlung der Yogaatmung und einer entsprechenden Geisteshaltung ein Zugang zu tiefen Entspannungszuständen geschaffen. Ähnlich wie die Meditation stellt das YOGA ein umfassendes erfahrungswissenschaftliches System dar und kann über die Entspannung hinaus auch zur spirituellen Entwicklung genutzt werden. Die bekannteste Form des YOGA ist im Westen das HATHA-YOGA.
Das Tai Chi ist eine Art Bewegungsmeditation mit sanften runden Bewegungen, die dem Atemrhythmus folgen. Das Qigong ist eine Sammlung von Methoden der traditionellen chinesischen Medizin zur Förderung leiblich-seelischer Gesundheit. Dabei werden sanfte Bewegungs- und Atemübungen , Aufmerksamkeitslenkung und Vorstellungsbildung eingesetzt. Ein Grundgedanke beider Verfahren ist das Wechselspiel von YIN und YANG als entgegengesetzten Kräften im Körper, die es ins Gleichgewicht zu bringen gilt. Durch die Harmonisierung der körperlichen und psychischen Vorgänge wird eine Entspannung und eine Energetisierung erreicht. In beiden Verfahren wird angestrebt, Blockaden im Fluß der Lebensenergie (Qi) aufzulösen und sie wieder zum Fließen zu bringen.
Welche Wege der Entspannung sich für Sie eignen, läßt sich nur durch eigene Erfahrungen herausfinden. Beim Psychologischen Arbeitskreis für AT & PR können Sie neben den Merkblättern zu den einzelnen Entspannungsverfahren auch die Adressen qualifizierter Kursleiter und Therapeuten anfordern.

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